Die Mobilitätswende spielt in der aktuellen politischen und gesellschaftlichen Diskussion eine immer wichtigere Rolle, wie zum Beispiel die Neuausrichtung der IAA zur Mobilitätsmesse IAA Mobility und die mediale Debatte über Lastenräder in den letzten Wochen zeigen. Die Rolle des Fahrrads ist dabei wichtig, wird aber oft noch unterschätzt. Was aktuell getan wird und wo es noch hakt.

Der Verkehr in Deutschland muss sich ändern – das rückt immer weiter in das Bewusstsein der Menschen. „Ohne eine radikale Mobilitätswende wird es nicht gelingen, die Klimaziele von Paris einzuhalten und die Erderwärmung zu stoppen“, erklärt die Nichtregierungsorganisation Attac Deutschland gegenüber dem pressedienst-fahrrad (pd-f). Eine Senkung des CO2-Ausstoßes, des Flächenfraßes oder der Luftverschmutzung seien elementare Punkte, um die Ziele zu erreichen. Für den Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) bedeutet Mobilitätswende deshalb, „dass allen Menschen schon bald ein attraktiver, umweltfreundlicher Angebots-Mix für ihre tägliche Mobilität zur Verfügung steht.“ Fahrräder und E-Bikes können und müssen dabei eine Schlüsselrolle spielen. Für den ADFC ist das Fahrrad der „Gamechanger der Verkehrswende“. Aber nur, wenn die Bedingungen für das Radfahren passen, werde das Auto auch stehen gelassen.

Fördermittel bringen noch keine Wende

Die Bundesregierung stellt deshalb im Rahmen des neuen „Nationalen Radverkehrsplans 3.0“ Fördermittel in Höhe von 1,46 Milliarden Euro zur Verfügung. Dies bekräftigte Bundeskanzlerin Angela Merkel in einem Grußwort anlässlich der Fahrradleitmesse Eurobike am 31. August. Für Markus Krill vom Fahrradanhängerhersteller Croozer bringen Förderungen allein aber noch keine Wende. Er fordert eine rechtliche Gleichstellung der aktiven Mobilität mit anderen Verkehrsträgern und eine Abkehr der dominierenden Stellung des Autos. „Für uns ist Mobilitätswende kein Gegeneinander, sondern sie gelingt nur miteinander – wenn alle Beteiligten sich um ein Umdenken in Richtung nachhaltige Mobilität bemühen“, so Krill. Selbst der Allgemeine Deutsche Automobilclub (ADAC) äußerst sich mittlerweile positiv zum Mobilitätswandel. Es ginge um „die Sicherstellung von Mobilität mit weniger Verkehr und um ein neues Verständnis darüber, wie wir insbesondere in unseren Städten leben und mobil sein wollen“.

Planungsverfahren beschleunigen

Doch in der Praxis ist der Wandel noch nicht angekommen. „Seien wir ehrlich: Wir hinken hinterher. Wie bei der Digitalisierung und der Energiewende hat man den Ruf einfach nicht gehört“, sagt André Joffroy vom Distributeur Trail.camp. Sarah Baukmann vom Luftpumpenspezialisten SKS Germany ergänzt: „Um mehr Menschen zum dauerhaften Pendeln mit dem Rad zu bewegen, braucht es deutlich schnellere Fortschritte.“ Und das nicht nur in den Großstädten, sondern insbesondere auf dem Land, wie Stefan Stiener vom Fahrradhersteller Velotraum betont. Der Wandel sollte zudem jetzt und nicht erst in zehn Jahren erfolgen. Stieners Wunsch: „Wir benötigen eine radikale Verschlankung und Entrümpelung des Planungsverfahrens.“ Ähnlich sieht es Alexander Kraft von HP Velotechnik: „Es ist ja wunderbar, dass mittlerweile größere Summen im Bundeshaushalt fürs Fahrrad bereitstehen. Da stehen sie dann aber und vor Ort passiert meistens wenig bis kaum etwas.“

Flächendeckendes, sicheres Radwegenetz bauen

Der Wunsch der Fahrradbranche an die Politik: endlich für ein flächendeckendes, sicheres Radwegenetz sorgen. „Was nützt das beste Fahrrad, wenn man aus Sorge um die Gesundheit im Straßenverkehr nicht fährt?“, fragt Andreas Hombach von WSM, einem Anbieter von Fahrradparksystemen. „Sicherheit auf der Straße muss flächendeckend realisiert werden und nicht in Form von Insellösungen hier und da aufploppen“, sagt Mareen Frindt vom Zubehöranbieter Fahrer Berlin. „Radwege müssen durchgängig gestaltet werden. Das ständige Stop-and-Go ist ein Spaßkiller“, stimmt Karsten Geisler vom Kinderfahrzeughersteller Puky zu. Eine Trennung von motorisiertem Verkehr und Radwegen sei zwingend, damit sich auch Eltern mit Kindern sicher fühlen.

Bleibt Deutschland ein Autoland?

Doch Deutschland scheint auch weiterhin ein Autoland zu bleiben – zumindest vorerst. Während der Kauf von E-Autos mit bis zu 6.000 Euro vom Bund bezuschusst wird, gibt es keine bundesweite Förderung für den Kauf von Pedelecs – lediglich Lastenräder werden vereinzelt lokal gefördert. Ein weiteres Beispiel ist die rechtliche Situation rund um S-Pedelecs. Die Fahrzeuge sehen aus wie Elektrofahrräder, zählen jedoch rechtlich als Kleinkraftrad – mit diversen Folgen wie einem Verbot des Fahrens auf Radwegen. Der Marktanteil von S-Pedelecs liegt deshalb bei unter einem Prozent, obwohl die Räder als Pendlerfahrzeuge prädestiniert wären. „Ich würde mir wünschen, dass S-Pedelecs in Deutschland bald vermehrt zum alltäglichen Straßenbild gehören. Dafür müsste dann aber auch die notwendige Infrastruktur geschaffen werden“, sagt Anja Knaus vom E-Bike-Hersteller Flyer. Doch bis es soweit ist, kann es noch dauern. Im Nationalen Radverkehrsplan 3.0 steht dazu lediglich, dass der Bund das Radwegebenutzungsverbot außerorts überprüfen werde.

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